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Das Wort des Großscheichs von Al-Azhar Prof. Dr. Aḥmad Aṭ-Ṭayyeb auf der Konferenz des Ägyptischen Fatwa-Amts
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Das Wort des Großscheichs von Al-Azhar Prof. Dr. Aḥmad Aṭ-Ṭayyeb auf der Konferenz des Ägyptischen Fatwa-Amts

Das Wort des Großscheichs von Al-Azhar Prof. Dr. Aḥmad Aṭ-Ṭayyeb auf der Konferenz des Ägyptischen Fatwa-Amts „Die wissenschaftliche Ausbildung und Qualifizierung der Imame für das Fatwa-Erlassen für die muslimischen Minderheiten“:

- Jede Gesetzgebung, die mit den Gesetzgebungen des Koran und der prophetischen Tradition (Sunna) nicht in Einklang steht, lehne ich ab.

- Der Stillstand des Fatwa-Erteilens und die Furcht vor dem Iǧtihād (der Bemühung um eine selbstständige Rechtsfindung) fügen der Gemeinschaft Schaden zu.

- Diskriminierung der Ehefrau ist ein großes Verbrechen.

- Zum Wohle der Familie und der Gesellschaft wurden die Gesetzgebungen der Eheschließung erlassen.

- Die Straßenkinder sind Oper der Familien, die unter Problemen hinsichtlich der Eheschließung oder Ehescheidung gelitten haben.

- Die Gelehrten des letzten Jahrhunderts waren mutiger als die heutigen Gelehrten im Hinblick auf die Erörterung von Fragen und Rechtsvorschriften, bei denen die Erneuerung und der Iǧtihād notwendig waren.

- Sich-Abhalten der Rechtsgelehrten vom Iǧtihād trägt dazu bei, dass der Andere die islamischen Gesellschaften mit dem füllt, was er will.

- In der islamischen Kultur ist der Begriff der muslimischen Minderheiten fremd. Al-Azhar vermied ihn in allen seinen Erklärungen und Dokumenten.

- Der Begriff der muslimischen Minderheit trägt das Gefühl der Isolation und der Minderwertigkeit an sich.

- Unsere islamische Kultur weist den Begriff der Minderheit zurück und erkennt stattdessen die vollkommene gleichberechtigte Staatsbürgerschaft (Muwāṭana).

- Das Muwāṭana-Prinzip blockiert die Vorwände der Feinde und den neuen Kolonialismus.  

- Die Befestigung des Muwāṭana -Prinzips unter den Muslimen in Europa ist ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur positiven Integration, in der die muslimische Identität bewahrt wird.

- Der neue Kolonialismus nutzt die Frage Minderheiten“ als Speerspitze für die Zersplitterung der Staaten aus.     

 

Das Wort des Großscheichs Prof. Dr. Ahmad At-Tayyib auf der Konferenz des Ägyptischen Fetwa-Amts „Die wissenschaftliche Ausbildung und Qualifizierung der Imame für das Fatwa-Erlassen für die muslimischen Minderheiten.“

 

Im Namen Allahs des Allerbarmers, des Allbarmherzigen!

Aller Lobpreis gebührt Allah, Segen und Frieden seien mit dem Gesandten Allahs, dessen Familie und Gefährten!

Sehr verehrte Rechtgelehrten, Wissenschaftler und Denker,

As-Salāmu ´alaikum wa rahmatu-l-Llāhī wa barakātuh!

Ich heiße Sie in ihrem Land Ägypten und in Al-Azhar mit all seinen wissenschaftlichen Institutionen ganz herzlich willkommen und wünsche, dass Ihre Konferenz bei der Verwirklichung dessen, was die Muslime erwarten, Erfolg hat. Die Muslime erwarten von den Rechtsgelehrten und den Fatwa-Ämtern die Verminderung der Spaltung, die sich von Zeit zu Zeit ausbreitet und wächst. Diese Spaltung betrifft einerseits das aktuelle Leben sowie die notwendigen Bedürfnisse und andererseits die sinnlosen Rechtsmeinungen. Gemeint sind hier die Rechtsmeinungen, die die Menschen Tag und Nacht hören und in denen sie keine Erleichterung bezüglich der Gesetzgebung und keine Barmherzigkeit sowohl im Koran als auch in der Sunna finden. In solchen Rechtsmeinungen befindet sich nur eine Reihe von den strengen Meinungen, die in bestimmten Situationen und unter dringenden Umständen zum Ausdruck gebracht wurden. Zwischen diesen Meinungen und dem heutigen Leben der Menschen gibt es keine Beziehung.

Mit diesen sinnlosen Rechtsmeinungen beschäftigt sich eine Reihe von den Muftis (Rechtsgutachtern), die leider viele Fatwa-Ämter in unserer arabischen Welt überwinden konnten. Ich kann sagen, dass diese Mufits alle Akademien der Jurisprudenz und Gesetzgebung, vor allem die islamische Forschungsakademie in al-Azhar, überwältigen konnten.

Der Grund für diesen Erfolg oder diese Überwältigung liegt nicht in der Rationalität oder Einfachheit dieser Rechtsmeinungen oder in deren Fähigkeit dazu, das Leben der Menschen leichter zu machen. Vielmehr besteht dieser Erfolg in der Fähigkeit zum hautnahen Kontakt mit den Leuten durch Prediger und Predigerinnen. Diese Prediger konnten die Leute in ihren Häusern erreichen, sie von der Kanzel ansprechen und mit den Leuten über von ihnen gewollte Themen sprechen. Dies erfolgt in einer Zeit, in der die Fatwas der Fatwa-Ämter und die der Rechtsakademien auf die Personen beschränkt sind, die um Fatwa bitten. Darüber hinaus stehen sie in wissenschaftlichen Arbeiten, von denen die Muslime nicht profitieren. Ferner werden solche Fatwas in Konferenzen diskutiert und am Ende der Konferenzen gegenseitig Empfehlungen erteilt, die keine Fachleute finden, die sich mit ihnen beschäftigen oder sie in den Tatbestand der Menschen umsetzen.

Unsere hochgeschätzten Scheiche! Bei meinen ausdrücklichen Worten bitte ich Sie dringend darum, dass Sie nicht glauben, dass ich Ihnen widerspreche oder Sie kritisiere, Allah schütze uns davor, dass ich so denke, oder mir so einfällt! Ich weiß nämlich genau, dass ich die Elite und die Gelehrten in unserer arabischen und muslimischen Welt anspreche. Ich trage auch einen Anteil an der Verantwortung vor Allah und den Muslimen. Aber vielleicht stehe ich den armen und elenden Menschen näher und kenne ihre familiären Probleme, die zur Vernichtung und zur Vertreibung führen. Der Grund dafür sind die Nicht-Flexibilität des Fatwa-Erlassens, die Furcht vor dem Iǧtihād und die Unfähigkeit zum Brechen der Barriere der Angst vor der Erneuerung, sodass ich dachte, dass wenn wir, nämlich die Gelehrten und Muftis, die Fatwa, die wir erteilen, genau begreifen, entfernen wir uns mehr oder weniger vom Geist des Textes und vom Begreifen des Tatbestandes, in dem der Text umgesetzt wird. Wir berücksichtigen also weder seine Hintergründe noch das Ausmaß des daraus resultierenden Schadens, noch das Ausmaß des psychischen und sozialen Leidens, das die Leute trifft.

Ich gebe Ihnen ein lebendiges Beispiel, das mit dem Phänomen des Chaos der Polygamie und dem Chaos der Ehescheidung und dem aus diesem Phänomen resultierenden Unrecht hinsichtlich der Frauen, der Obdachlosigkeit, die das Leben der Kinder zerstört, und des Verlustes, der sie zur Rebellion und zur Kriminalität führt, zusammenhängt.

Ich rufe also nicht zu Gesetzgebungen auf, die das Recht auf Polygamie annullieren. Vielmehr lehne ich jede Gesetzgebung ab, die zu den Vorschriften des Koran oder der Sunna in Widerspruch steht oder beide anfechtet. Somit verschließe ich die Tür vor denen, die die Rede aus ihrem Kontext reißen, damit sie dadurch Geld verdienen. Ich frage mich jedoch: Was veranlasst einen bedürftigen Muslim, eine zweite Frau zu heiraten und die erste Frau mit ihren Kindern zu verlassen, während sie unter dem Hunger und dem Untergang leidet? Dann findet er in sich selbst keine Bedrängnis, die ihn vom Missbrauch dieses legitimen Rechts zurückhält!

Die Antwort lautet meiner Meinung nach, dass der Aufruf zur islamischen Gesetzgebung bei dieser Frage zu diesen Leuten nicht auf eine richtige Weise gekommen ist, und dass die Fatwas hinsichtlich dieser Frage sich auf die bedingte Sache konzentriert, nämlich das Erlauben der Polygamie, und über die Bedingung der Polygamie schweigt, nämlich die Gerechtigkeit und das Entfernen des Schadens von der Frau. Dieses Verstehen hat sich solange etabliert, dass sich die breite Masse vorstellt, dass die Polygamie ein legitimes Recht ohne Einschränkung oder Bedingung ist, und dass es keine scharia-rechtliche Verantwortung gibt, die auf dem Weg ihrer Wünsche steht, solange dies erlaubt ist, wie sie das behaupten.

Die Rechtsbestimmungen der Scharia, die wir aus den Fiqh-Büchern im Kapitel der Ehe lernten und noch lernen, bestimmen, dass es sich bei der Ehe um die fünf zur Beachtung verpflichtenden Normen, zu denen das Unerwünschtsein und das Verbot gehören, handelt. Die Hanafiten verbieten die Ehe, wenn sich der Ehemann sicher ist, dass er seine Frau ungerecht behandelt; denn die Weisheit der Ehe im Islam liegt darin, dass die Ehe wegen der Verwirklichung eines Interesses vorgeschrieben wurde, nämlich des Schutzes der Seele und des Erlangens der Belohnung durch die Nachkommen, die Allah anbetend dienen. Wenn dies sich mit Ungerechtigkeit oder Schaden mischt, begeht der Ehemann eine Sünde und fällt in die folgende Rechtsregel: „Das Abwenden von Ursachen der Unmoral wird dem Wahren von Interessen vorgezogen.“

Obwohl alle Leute sich darüber einig sind, dass die Heirat eine Pflicht ist, wenn man fürchtet, einen außerehelichen Geschlechtsverkehr zu begehen, setzen sie indes voraus, dass man keine Furcht vor dem Schaden hat. Die Hanafiten sagten sogar: „Wenn die Furcht vor dem Begehen außerehelichen Geschlechtsverkehrs, wenn man nicht geheiratet hat, der Furcht vor der Ungerechtigkeit und dem Schaden der Frau widerspricht, wird die Furcht vor dem Schaden vorgezogen sowie die Heirat für verboten erklärt.“ Sie sagten weiter: „Die Ungerechtigkeit ist nämlich eine Sünde, die sich auf die Menschen bezieht, während die Verhinderung des außerehelichen Geschlechtsverkehrs eines der Rechte Allahs des Erhabenen darstellt. Und das Recht des Menschen wird beim Widerspruch vorgezogen, weil der Mensch bedürftig ist, während Allah der Hocherhabene unbedürftig ist.“ Das Gleiche findet man bei den Malikiten und den Schafiiten.

Die Lehre, die man hier ziehen kann, lautet, soweit ich verstehe, dass die Ungerechtigkeit gegenüber der Frau ein Verbrechen ist, das über das Verbrechen des außerehelichen Geschlechtsverkehrs hinausgeht, und dass der außereheliche Geschlechtsverkehr im Vergleich zur Ungerechtigkeit der Frau, die ein großer Schaden ist, einen kleinen Schaden darstellt. Dies erfolgt bei der ersten Heirat und der ersten Frau. Wie ist es dann erst bei der zweiten und dritten Heirat im Vorhandensein der Furcht vor der Ungerechtigkeit und sogar bei der Absicht des Schadens der ersten Frau!

Man könnte die folgende Frage stellen: Wenn die Frau geschädigt wird, darf sie die Ehescheidung einreichen. Wenn der Ehemann sich weigert, die Ehescheidung auszusprechen, reicht die Frau die Ehescheidung mit Entschädigungsanspruch (Ḫulʿ) ein. Lasse also den Ehemann zu der gehen, die er will, und lass die Ehefrau damit zufrieden sein oder die die Ehescheidung durch Ḫulʿ einreichen!

Meine Antwort lautet, dass diese Aussage der Frau zwei Schaden zufügt, nämlich dem Schaden des Meidens und dem Schaden ihres Zwanges zum Verzicht auf all ihre Rechte, wie es beim Ḫulʿ der Fall ist. Gleichzeitig hat der Ehemann zwei Interessen, nämlich Erfüllen seines Gelüstes und Aneignen der Rechte der Frau, auf die sie wegen der Ungerechtigkeit verzichtet.

Das könnte vielleicht der Grund dafür sein, dass man in den Worten der Rechtsgelehrten hinsichtlich dieser Frage keinen Hinweis auf das Erlauben der Heirat zusammen mit der Furcht vor der Ungerechtigkeit und mit der Zufriedenheit der Frau oder deren Einreichen der Ehescheidung durch die Ḫulʿ findet. Sie begründen das damit, dass man die moralische Verantwortung gegenüber dem Ehepartner vor dem Beginn dieser Partnerschaft tragen soll, und zwar ausgehend davon, dass die Heirat auf Rechten beruht, bevor sie ein vorübergehendes Gelüst ist. Die Heirat ist eine große Verantwortung, die der Koran als ein festes Abkommen betrachtet. In den Worten des Erhabenen heißt es: „Wie könnt ihr es (zurück)nehmen, wo ihr doch zueinander eingegangen seid und sie mit euch ein festes Abkommen getroffen haben?“ (Sure 4: 21). Ferner wurde die Heirat zum Wohl der Familie und der Gesellschaft vorgeschrieben.

Die Statistiken, die für die Straßenkinder erstellt wurden, haben festgestellt, dass nicht weniger als 90% unter ihnen Opfer von Familien sind, die vom Chaos der Heirat und Chaos der Ehescheidung betroffen waren. Jede Art sozialer und moralischer Verbrechen, die die Gesellschaft der Straßenkinder bringt, geht auf den Missbrauch eines scharia-rechtlichen Rechts oder das Verstehen der hälften Wahrheit zusammen mit dem Missverstehen der anderen Hälfte zurück. Dies führt zur Spaltung zwischen dem Verstehen des Textes und dem Verstehen des Tatbestandes.

Der Grund dafür ist meines Erachtens die Barriere der Furcht zwischen den Muftis unter den Rechtsgelehrten sowie den Wissenschaftlern und dem Iǧtihād sowie der Betrachtung der Rechtsbestimmung.

Es ist sehr schmerzhaft hier zu sagen, dass unsere Gelehrten und Musftis im vergangenen Jahrhundert zum Umgang mit Fragen, die den Bedarf der Leute an der Erneuerung und dem Iǧtihād bei diesen Fragen in jener Zeit berührt, mutiger waren.

Nehmen Sie ein Beispiel dafür:

Der Iǧtihād einiger Gelehrten in Bezug auf die Scheidungsformel, wenn der Ehemann sie dreimal auf einmal in einer einzigen Sitzung ausgesprochen hat. Diese gleiche Formel gilt als eine einmalige Ehescheidung. Trotzdem finden wir eine gewisse Übereinstimmung unter den Gelehrten der islamischen Gemeinschaft, der mit dieser Meinung im Widerspruch steht. Außerdem betrachtet der malikitische Gelehrte al-Qādī ʿAbdu-l-Wahhāb diese Meinung als eine der Aussagen derjenigen, die unerlaubte Neuerung einführen. In diesem Zusammenhang erklärt auch der Gelehrte Ibn ʿAbdul-Barr: „Diese Meinung gehört nicht zu den Aussagen der Gelehrten. “ Jedoch haben sich die Gelehrten von Al-Azhar damals nicht gescheut, dieses Problem zu behandeln und eine offizielle Fatwa zu erteilen, die den herrschenden Lehrmeinungen widersprechen. Darüber hinaus konnten die Gelehrten mühelos für ihre eigne Fatwa Beleg in der Tradition der islamischen Jurisprudenz finden. Dann erteilten sie eine Fatwa, dass diese Form dieser Ehescheidungsformel als eine einmalige Scheidung angesehen wird.

 

Der Iǧtihād erfolgte im Jahr 1929 des letzten Jahrhunderts. Darüber hinaus ist er als ein Gesetz im Familienrecht eingesetzt worden. Das Ägyptische Fatwa-Amt, das ungefähr seit 90 Jahren sich für diese Fatwa entschied, zögert es zusammen mit der islamischen Forschungsakademie, Fragen zu behandeln, die im Leben der Familie gefährlicher als die Frage des dreimaligen Aussprechens der Scheidung auf einmal in einer einzigen Sitzung. Was das Ägyptische Fatwa-Amt und die meisten Gelehrten der islamischen Gemeinschaft daran hindert, diese Fragen zu behandeln, ist die Angst, über die wir bereits gesprochen haben. Dazu kommt noch, dass die Tür des Iǧtihād vor denjenigen, die sich mit den Problemen der islamischen Gemeinschaft beschäftigen, geschlossen ist. Das führt dazu, dass die islamische Scharia keinen großen Wert mehr im Tatbestand der Menschen und der Gesellschaften hat und sie lediglich im Dienste des Studiums und Forschung angewandt wird.

Einige der zeitgenössischen hervorragenden Gelehrten nahmen wahr, dass der Verzicht der Gelehrten auf Iǧtihād die islamischen Gesellschaften dem Anderen überlässt, der sie mit dem, was er will, füllt. Darüber hinaus gilt diese als eine Art Trennung der Religion vom Leben oder als Trennung des Lebens von der Religion.

Sehr verehrte Gelehrten:

Wir sollen zugeben, dass wir eine wirkliche Krise erleben, deren Kosten die Muslime, wo und wann immer sie sind, tragen. Es liegt einerseits in der Furcht und dem Verzicht auf den Umgang mit der Scharia, die wir als gültiges Gesetz für jede Zeit und an jedem Ort beschreiben, um passende Antworten auf neue Ereignisse zu geben. Andererseits ist diese Krise zurückzuführen auf das Fehlen an umfassende Sicht der Zielsetzungen der Scharia, das die selbständige Betrachtung stört und den Rechtsgelehrten weit von dem Ereignis entfernt, bei dem er das passende Rechtsurteil sucht. Diese lebendige Krise ist überdies eine Folge der fremden Fatwas, die weder die eigenen Umstände der Gesellschaften noch die Verschiedenheit von Gebräuchen, Sitten, Kulturen, Sprachen, Dialekten, Geschlechtern nicht berücksichtigen. Ungeachtet der Verschiedenheit der Länder, Gesellschaften, Lebewelten, Zustände in Bezug auf Krieg, Frieden, Reichtum, Armut, Wissen und Unwissen wird dem Muslim die gleiche Fatwa erteilt. Ist es aber logisch, dass einem Muslim die gleiche Fatwa in den Ereignissen bzw. Gegebenheiten, deren Form ähnlich, aber deren Tatbestand, Schaden und Interesse in Kairo, Niamey, Mogadischu, Jakarta, Neu-Delhi, Moskau, Paris und anderes mehr in den nomadischen und zivilisierten Stätten im Osten und Westen, unterschiedlich ist, erteilt wird!

Was das Konferenzthema angeht, so bitte ich meinen Bruder, Seine Eminenz der ägyptische Mufti darum, meine eigene Meinung darüber zum Ausdruck zu bringen, dass der Begriff der muslimischen Minderheiten im Titel der Konferenz als ein fremder Begriff in der islamischen Kultur gilt, den Al-Azhar in seinen Reden, Dokumenten und Erklärungen vermied. Er ist nämlich ein Begriff, der das Gefühl der Isolation und der Minderwertigkeit in sich birgt. Darüber hinaus bahnt er den Boden für Zwietracht und Konflikt. Ja sogar beraubt dieser Begriff grundsätzlich jeder Minderheit viele ihrer zivilen und religiösen Rechte. Soweit ich weiß, kennt unsere islamische Kultur diesen Begriff nicht. Ja sogar verleugnet sie ihn, lehnt ihn ab und kennt anstatt von ihm die vollkommene Muwāṭana, wie es in der Verfassung von Medina verankert ist. Die Muwāṭana im Islam ist nichts anders als Rechte und Pflichte, bei der alle Menschen nach den Prinzipien und Kriterien der Gerechtigkeit und Gleichheit leben. Es steht im Koran: „Wahrlich, Allah gebietet, gerecht zu handeln, uneigennützige Gutes zu tun.“ (Sure 16: 90). „Sie (nichtmuslimischer Bürger) sind gleich mit den Muslimen in Bezug auf die Rechte und Pflichten. “Beispielweise ist der muslimische Bürger in Britannien ein britischer Bürger, der vollständige Bürgerschaft in Bezug auf die Rechte und Pflichte genießt. Ebenso ist der christliche Bürger ein Ägyptischer Bürger, der vollständige Bürgerschaft in Bezug auf die Rechte und Pflichte genießt. In diesem Zusammenhang mit dieser vollständigen Bürgerschaft gibt es denn keinen Raum, dass jeder von ihnen als eine Minderheit in einer Weise beschrieben wird, die sich als Diskriminierung und Verschiedenheit hinsichtlich der Bedeutung der Bürgerschaft verstehen lässt. Meines Erachtens gilt die Verankerung des Bürgerschaftsverständnisses zwischen den Muslimen in Europa und in anderen Gemeinschaften, die mehrere Mentalitäten und Multikulturen besitzen, als ein erforderlicher Schritt auf dem Weg der positiven Integration, zu der wir in mehreren westlichen Hauptstädten aufriefen. Dies schützt die Sicherheit und den Zusammenhalt des Heimatlands und verfestigt die Zugehörigkeit, die als Grundlage der Einheit in der Gesellschaft gilt. Darüber hinaus fördert und verstärkt diese positive Integration die Annahme der kulturellen Vielfalt und das friedliche Zusammenleben und vernichtet die Gefühle der Entfremdung, die zur Zersplitterung beider Loyalitäten bei einem Auswanderer führt. Bei der ersten Loyalität handelt es sich um das Land, in dem man lebt und von dessen Gütern profitiert. Die zweite betrifft die fremde Loyalität, bei der aus Flucht vor seinem Gefühl, dass er zu einer bedrohten Minderheit gehört, Schutz sucht. Wenn wir Erfolg haben würden, das Muwāṭana-Prinzip in dem Intellekt und der Bildung der Muslime zu verankern, würde es zu einer Sperre gegen die kolonialistischen Vorwände, die die Minderheiten bei den politischen Konflikten und dem Streben nach der Hegemonie ausnutzen. Dazu kommt noch, dass diese kolonialistischen Vorwände die Frage der Minderheiten zu einer Speerspitze für die Spaltung und Zersplitterung, auf die sich der Neokolonialismus stützt, machten.

Was die Qualifizierung der Imame für Erteilung von Rechtsgutachten angeht, so ist es so ganz relevant. Wie gut ist es, was das Ägyptische Fatwa-Amt machte, als es auf die Wichtigkeit und Gefährlichkeit der Erteilung von Rechtsgutachten hinwies. Über diese vorgesehene Aufgabe braucht man lange zu reden.

Al-Azhar hatte einen Beitrag zur Ausbildung der Imame im Ausland und zu ihrer Aufklärung mit den Fällen, die mit den Umständen der Muslime in mehreren Bereichen zu tun haben. Überdies nahmen 538 Imame aus Afghanistan, Pakistan, Kurdistan, dem Irak, China, Indonesien, Britannien, dem Jemen, den afrikanischen Ländern und Südamerika an den Kursen teil, die die internationale Organisation für Al-Azhar-Absolventen organisierte.

Es wäre besser, wenn man auf diesem Gebiet mit der nationalen Organisation der Al-Azhar-Absolventen koordiniert!

Sehr geehrte Brüder!

Ich habe lange geredet. Deshalb muss ich mich bei Ihnen entschuldigen. Der Entschuldigungsgrund wird von besten Menschen akzeptiert.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Was-Salāmu ´alaikum wa rahmatu-l-Llāhī wa barakātuh!

 

 

 

 

 

 

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