Nichtmuslime in der islamischen Geschichte ‎ ‎(1) zur Zeit des Propheten Muhammad (s)‎

  • | Sunday, 19 November, 2017
Nichtmuslime in der islamischen Geschichte ‎ ‎(1) zur Zeit des Propheten Muhammad (s)‎

Als der Prophet die erste islamische Stadt in Medina gründen wollte, begann er, mit den arabischen Juden, die die Hälfte der Medina-Bewohner bildeten, und den in den umgebenden Milieus lebenden Christen, die damals, ausgenommen von den Christen in Nadschran und Jemen, um so wenig am Christentum festhielten, Verträge abzuschließen. Mit diesen Verträgen bezweckte er  weder sie von ihrem Glauben abzubringen noch sie zum Bekehren des Islam zu locken. Vielmehr strebte er damit einerseits nach der Sicherheit und Integration, die für eine stabilisierte Stadt unentbehrlich ist. Andererseits wollte er die Rechte und Pflichten aller Glaubensgemeinschaften und ihre Zwischenbeziehungen regeln. In diesen Verträgen verfolgte er die koranischen Anweisungen, die in vielen Versen einen guten und tolerierten Umgang mit den ahl al-kitab gebieten. Der mit der christlichen Delegation von Nadschrân abgeschlossene Abkommen und die Medina-Urkunde mit den Juden stellten die zwei bekannten Verträge. Solche Verträge wurden dann in der nachfolgenden Zeit für vielen Kalifen und Eroberer zu Musterbeispiel beim Umgang mit den Nichtmuslimen in den islamischen Ländern.

NachMedina-Urkunde konnten die verschiedenen jüdischen Gruppen in Medina ihre Religion beibehalten. Sie und die Muslime waren sich – im Falle des Kriegs – zu gegenseitlicher militärischer Unterstützung verpflichtet. Die Juden aber verweigerten sich in der Folgezeit einer vollständigen Integration in das muslimisch dominierende Gemeinwesen von Medina.

 Die vom Propheten bezweckte Stabilität in Medina war von der Feindseligkeit der verschiedenen jüdischen Stämmen bedroht, was ausgehend von verschiedenen Gründen zum Vertrieben der drei großen Stämme, Banu Quraiza, Banu an-Nadir und Banu Qainuqaa führte.

Im Jahre 624 kam es nach der Schlacht von Badr zur ersten Auseinandersetzung mit den Juden, nämlich mit dem Stamme, der die Medina-Urkunde mit den Muslimen durch die folgende Handlung verletzte: Als eine muslimische Frau auf den Markt von Banu Qainuqaa einkaufen ging und sich vor dem Goldverkäufer setzte, wollten ihr die Juden hinter den Schleier gucken, was sie völlig ablehnte. Da kam der Goldverkäufer hinter ihr und heftete den Saum ihres Kleides mit einem Dorn an ihren Rücken, so dass bei ihrem Aufstehen ihre Blöße sichtbar wurde. Die Juden lachten und die Frau schrie. Ein Muslim stand auf und tötete den jüdischen Verkäufer. Da sprangen die Juden und töteten den Muslim. Der Prophet zog sich mit der muslimischen Armee zum Stamme Banu Qainuqaa, der sich nach 15 täglicher Belagerung ergab. Drei Tage durften die Banu Qainiqaa noch in Medina bleiben, um ihre Schulden einzuzahlen, daraus geht klar hervor, dass sie ihre Habe, soweit sie es konnten, mitnehmen durften. Dann zogen sie(wie Ibn Kathir in seinem Werk al-Bidaya wa an-Nihaia erwähnt hatte) nach Adhraat (ein Dorf im Ostjordanland), wo sie sich niederließen.

Nach der Schlacht von Uhud wurde dann auch die Banu an-Nadir im Jahre 625 aus Medina vertrieben. Als der Prophet zu ihnen kam und sie darum bat, ihm bei der Bezahlung der Blutschuld für die beiden von cAmr ibn Umayya getöteten Männer zu helfen, erklärten sie sich zur Hilfe bereit und zogen sie sich zur Beratung zurück. Der Prophet saß neben der Wand eines ihrer Häuser, wobei sie sich darüber beschlossen, dass einer von ihnen auf das Haus steigen und einen Stein auf ihn werfen sollte. Als cAmr ibn Gahash auf das Haus stieg und es tun wollte, wurde dem Propheten dieses Vorhaben der Juden von Allah offenbart. Er machte sich deshalb sogleich auf den Rückweg nach Medina. Dort berichtete er seinen Gefährten von dem Verrat. Dann ließ er zum Krieg gegen die Banu an-Nadir rüsten und zog mit den Männern los. Der Prophet belagerte sie sechs Tage, bis sie sich ergaben. Er vertrieb sie unversehrt aus Medina, wobei sie so viel von ihrem Besitz mitnehmen durften, wie die Kamele tragen konnte. Sie schleppten alles fort und begaben sich nach Khaibar, einige auch nach Syrien. (Ibn Kathir in seinem Werk al-Bidaya wa an-Nihaia)   

Es blieb nun in Medina die Banu Quraiza, die auch ihrerseits den Vertrag mit dem Propheten gebrochen, als sie im Jahre 6 H./627 beim Feldzug von al-Ahzab (wörtlich: Die Parteien) mit den Quraishiten gegen die Muslime verbündeten. Da geriet eine Seite der Medinagrenzen in Hände der Feinde, die die Medina umkreisten. Nachdem der Feldzug zu Ende ging, machte sich der Prophet mit seinen Männern auf den Weg zu den Banu Quraiza und belagerte sie fünfundzwanzig Tagen, bis  sie erschöpft waren. Sie unterworfen sich dem Urteil des Propheten. Da wandten sich die Aus– ein mit den Banu Quraiza verbündeter Stamm – an Mohammed und baten ihn darum, einem von ihnen das Urteil zu überlassen. Daraufhin ließ er Sacd ibnMucaz entscheiden, womit sie alle zufrieden waren. Dieser entschied, dass die Männer getötet und die Kinder und Frauen gefangen genommen werden sollen. Da wurde Banu Quraiza geholt und Gruppe um Gruppe enthauptet. (al-Bidaya wa an-Nihaya)

Dem erwähnten ist es zu entnehmen, wie die Nichtmuslimen in Medina, von denen die Juden die größte Mehrheit bildeten, eine entgegengesetzte Stellung gegen die Muslime vertraten und die vom Propheten bezweckte Stabilität und gesellschaftliche Integration bedrohten. Hiermit „wandelten sie sich in einer Minderheit um, nicht weil sie dem Muslimen gegenüber von geringer Zahl waren, sondern weil sie die Prinzipien und Regeln des Medina-Vertrags, den sie zusammen mit dem Propheten abschlossen, zerrissen.“ Auf der anderen Seite gaben es einige Juden, die von der neuen Botschaft überzeugten und sich zum Islam bekehrten, wie z. B. der Rabbiner cAbdullahibnSallam, Thalaba ibn Sallam und Asad ibnUbada. (as-Sira an-Nabawiya)

 Nachdem der Prophet im Jahre 6 H./627 al-Hudaibiya-Waffenstillstand (arabisch: SSulhal-Hudaibiya) mit den Polytheisten von Mekka abschloss, wandte er sich am Anfang des Jahres 7 H./628 dem Dorf Khaibar zu, das 60 Meilen nördlich von Medina lag und aus zehn Festungen bestand, von denen zwei Festungen Friedensverträge mit dem Propheten abschlossen, während die übrigen Acht die Muslimen kriegerisch begegneten. Sie wurden belagert, bis sie sich besiegt ergaben. Der Prophet traf mit den Leuten von Khaibar eine Vereinbarung, gemäß dem ihnen die ausgedehnten Ländereien zur Nutzung überlassen wurden mit der Auflage, in Zukunft die Hälfte des jährlichen Ertrages an die Muslime abzuführen.

Hier wird es klar, dass die Muslime mit den fremden außerhalb des islamischen Landes lebenden Nichtmuslimen auf neue Grundregelungen umgingen, die im Folgenden zusammenzufassen sind:

  • Die erste Erfahrung mit den Juden von Medina galt dann nicht als einen endgültigen Standpunkt allen Juden gegenüber. Im Gegenteil schloss der islamische „Staat“ die Juden von Khaibar, Taimaa, Fadk und Wadi al-Qura durch Friedensverträge unter seiner Führung an.
  • Mit den eroberten Dörfern wurden Vereinbarungen in jeweiliger Form getroffen, in der die Interessen deren Bewohner berücksichtigt wurden.
  • Die Leute der eroberten Länder wurden nicht zur Auswanderung gezwungen, sondern wurden als wesentlichen Teil der Bewohner des islamischen Staates angesehen und konnten ihre Religion beibehalten.
  • Um die nationale Integration zu verstärken, wurden allmählich gesellschaftliche Beziehungen mit den Nichtmuslimen aufgenommen, z.B. das Heiraten, Besuchen und Handel. In diesem Zusammenhang ist es zu erwähnen, dass eine Jüdin diese gesellschaftliche Öffnung seitens der Muslimen so schlecht ausnutzte, dass sie dem Propheten ein gebratenes gegiftetes Schaf zum Essen schenkte.

Als die Eroberungsbewegung nach Norden zog, begann die Begegnung mit den christlichen Siedlungen und Stämmen im byzantinischen Grenzgebiet. Im Jahre 9 H/630,631 zog der Prophet Muhammad (s) an der Spitze seiner Truppen nach Nordarabien. In Tabuk, wo er halt gemacht hatte, empfing er den christlichen Gouverneur von Aila(an der nordöstlichen Spitze des Golfes von Aqaba). Er bot ihm die Wahl zwischen dem Kampf und friedlicher Unterwerfung an. Johannes ibn Ru’bah entschied sich für einen Friedensvertrag, stellte sich unter den Bundschutz Allahs und des Propheten Muhammad (s) und verpflichtete sich, einen jährlichen Betrag von 300 Dinar als Dschizia zu entrichten. Dies entsprach ungefähr der Zahl der erwachsenen Männer der Stadt und bedeutete somit eine Abgabe von einem Dinar pro Person. Mit den Leuten von Adhrua, AlÊarbÁÞ und Meqna wurden auch im Jahre 9 H./630 ähnliche Vereinbarungen getroffen.

Nachdem der Prophet von Tabuk zurückkehrte, schickte er Khalid ibn al-Walid im Jahre 10 H./631 nach Jemen, wo das christliche Nadschran liegt, um die Leute dort zum Islam aufzurufen. Einige nahmen daraufhin den Islam an, während die anderen Christen blieben. Da wandte sich eine nadschraner Delegation von 14 Angesehene nach Medina, um mit dem Propheten zu diskutieren. Unter den 14 befand sich cAbdel Masih, der Emir von Nadschran, al-Aiham, der Verwalter der Angelegenheiten der Nadschraner und der Bischof abu al-Haris ibn cAlqama. Der Prophet rief sie zum Islam auf, was sie ablehnten. Daraufhin schloss er mit ihnen einen Friedensvertrag ab, aufgrund dessen sie unter Schutz Allahs und dessen Propheten standen und zur jährlichen Abgabe im Betrag von 2000 Gewändern verpflichtet waren. Der überlieferte Text des Vertrags, der im Interesse beider Parteien Stand, trägt „in der islamischen sowie in der christlichen Tradition einen Modellcharakter und erschien äußerst wichtig für die Gestaltung der (zukünftigen) Beziehungen zwischen den Muslimen und Christen.“ (Khoury, religiöse Minderheiten unter der Herrschaft des Islam)

Alle mit den Christen geschlossenen Verträge sind durch die folgenden Merkmale gekennzeichnet:

  • Jedes Dorf bzw. jede Stadt hatte seinen eigenen Vertrag, der sich von den Verträgen anderer Dörfer bzw. anderer Städte in Form und Inhalt völlig unterscheidet, was darauf hinweisen lässt, dass die Muslime die verschiedenen Umstände der Bewohner unter Acht zogen. Während die Leute vom Dorf Meqna beispielsweise zum Viertel ihres Einkommens von Datteln, gesponnenen Wollstoffen und Jagdbeuten als Abgabe verpflichtet waren, wurde den Bewohnern von Nadschran die Lieferung von 2000 Gewändern im Wert von je einer Unze Silber vorgeschrieben.
  • Die getroffenen Verträge waren durch der Einfachheit und Zusammenfassung ausgezeichnet, wobei nicht mehr als die Rechte und Pflichten beider Seiten, nämlich des islamischen Staats und des eroberten Dorfes, erwähnt wurden. Beispielsweise besteht der Vertrag von Adhrua nur aus paar Sätzen:

"من محمد النبي رسول الله لأهل أذرح، إنهم آمنون بأمان الله وأمان محمد وأن عليهم مائة دينار في كل رجب وافية طيبة. والله كفيل عليهم بالنصح والإحسان للمسلمين ومن لجأ إليهم من المسلمين من المخافة والتعزير إذا خشوا على المسلمين وهم آمنون حتى يحدث إليهم محمد قبل خروجه"

"Von Muhammad, dem Gesandten Gottes, an die Bewohner des Dorfes Adhrua: Ihnen ist die Sicherheit Gottes und Sicherheit Muhammads gewährt wird. Dagegen steht ihnen die Abgabe von 100 Dinaren jedes Ragab-Monates als Pflicht an. Gott bezeugt demnach, dass sie sowohl den Muslimen als auch denjenigen unter diesen, die bei ihnen Zuflucht vor Furcht oder Vermeiden einer Strafe suchen, Rate geben und mit ihnen gut behandeln müssen. Sie genießen andauernd diese Sicherheit, es sei denn, dass Muhammad vor dem Verlassen des Ortes etwas anders verkündete."

 

  • In den getroffenen Verträgen kam es nicht einmal zu irgendwelcher Beeinträchtigung der allgemeinen Rechte der Dhimmis. Vielmehr kamen diese Rechte verstärkt zum Ausdruck. Beispielsweise schrieb der Prophet im Vertrag von Aila u. a.:

"وإنه لا يحل أن يمنعوا ماءً يريدونه من بر أو بحر ..."

"Niemand darf sie am Zugang zu einem Brunnen und weder zu Wasser noch zu Lande an der Benutzung eines Weges gehindert werden."

           

            und im Vertag von Nadschran u. a.:

"ولنجران وحاشيتهم جوار الله وذمة محمد النبي رسول الله على أنفسهم وملتهم وأرضهم وأموالهم [...] لا يغيرون أسقفا عن أسقفيثهولا راهبا عن رهبانيته ولا واقفا عن وقفانيته ..."

"Der Schutz Allahs und die Sicherheitsgarantie des Propheten Muhammad, des Gesandten Allahs, erstrecken sich auf die Bewohner Nadschrans und seines Umlandes in Bezug auf ihre Seelen, ihren Glaube, ihr Grundboden, ihr Eigentum [...] Kein Bischof wird von seinem Bischofssitz, kein Mönch von seinem Kloster, kein Pfarrer von seiner Pfarrei versetzt."

 

  • Der islamische Staat ging in den getroffenen Verträgen davon aus, dass die Andersgläubigen eine selbständige Einheit mit einem eigenen System bezüglich der Ausübung deren religiösen Riten darstellt.

 

Die Muslime sollten bzw. sollen ihrerseits die mit den Andersgläubigen geschlossenen Verträge und Vereinbarungen einhalten (Sure 8/72 u. 9/4) und sogar bereit zur Versöhnung sein, wenn ihre Feinde mit ihrem gottlosen Treiben aufhören und zum Frieden bereit sind (Sure 2/193; 8/39; 8/61; 5/34):

" وإن أحد من المشركين استجارك فأجره حتى يسمع كلام الله ثم أبلغه مأمنه " (التوبة-6)

"Und wenn dich einer von denen, die Gott beigesellen, um Schutz angeht, dann gewähre ihm Schutz, damit er das Wort Allahs hören kann! Hierauf lass ihn (unbehelligt) dahin gelangen, wo er in Sicherheit ist.“ (Sure 9/6)

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