Nichtmuslime in der islamischen Geschichte (3) Unter den Umayyaden (40-132 H./661-750)

  • | Monday, 1 January, 2018
Nichtmuslime in der islamischen Geschichte (3)  Unter den Umayyaden (40-132 H./661-750)

Bevor man die Stellung der Nichtmuslime zur Zeit der Umayyaden darstellt, muss zuerst ein Überblick über die umayyadischen Dynastie gegeben werden. Mit Ermordung des vierten Kalifen Ali Ende Januar 661 (Ramadan 40 n. H) und Machtübernahme von Mucawiya (40-59 n. H/661-680) begann die Herrschaft der Banu Umayya (89 Jahre lang) und verlagerte sich das Zentrum der Macht nach Syrien, wo Damaskus zur neuen Hauptstadt des Reiches wurde. Mucâwiya schaffte auch die Wahl des Kalifen ab und ersetzte sie durch die Erbfolge, nachdem er seinen Sohn Yazid öffentlich zum Nachfolger erklärt hatte.

Unter Yazid (680-683) wurde der 2. innerislamische Bürgerkrieg gegen die Gegner Yazids ausgetragen. Die Schiciten versuchten dabei, die Macht zu übernehmen. Der Sohn cAlis, al-Husain, sah sich als rechtmäßigen neuen Führer der Gemeinde. Er starb im Kampf gegen Yazids Truppen in der Nähe von Kufa. Der zweite Widersacher Yazids war cAbdallah ibn az-zubair. Zwölf Jahre lebte er als Gegenkalif in Mekka.

cAbdelmalik übernahm 685 die Gemeinde. Er konnte den Bürgerkrieg beenden. Ihm gelangen die Festigung des Reiches und einige Reformen. Arabisch als einheitliche Verwaltungssprache ersetzte um das Jahr 699 nun die jeweilige bisherige griechische bzw. persische  Landessprache.

Die zweite große Eroberungswelle setzte unter cAbdelmaliks Sohn Walid (705-715), seinem Nachfolger cUmar ibn Abdel cAziz und Hišam, dem zweiten Sohn des cAbdelmaliks ein. Im Osten werden der Indus und Amudarja überschritten und die arabischen Heere erreichten Samarqand (87 H./705), Bukhara (89 H./707) und khauarezm (93 H./712); im Norden den Kaukasus und Armenien; im Süden Nubien und schließlich im Westen das römische Afrika (27 H./647), das heutige Tunesien. im 8. Jahrhundert werden die muslimische Provinzen Sind und ما وراء النهر Ma waraa an-nahr (das Land jenseits des Flusses, d. h. Transoxanien) gegründet. Im Westen überquert dann eine Truppe von 6000 Mann unter Führung Tarik ibn Zaid die Meerenge Gibralter. Mit Niederlage des Königs Roderich am Fluss Barbate öffnet sich (92 H./711) die ganze Iberische Halbinsel. Die Vorstöße ins Frankenreich wurden aber im Jahre 732 von Karl Martell, dem karolingischen Herrscher aufgehalten; die Muslimen  wurden nach Spanien zurückgedrängt. Mitte des 8. Jh. gab es die ersten Unruhen und Aufstände. Sie bedeuteten das Ende der Umayyaden-Herrschaft.

 

Die praktische Politik der Umayyaden mit den Einheimischen stand weitgehend in der Übereinstimmung mit der gemäßigten Haltung der Rechtgeleiteten Kalifen. Die Umayyaden schlossen auch mit den Bewohnern der eroberten Städten Verträge, die fast denselben Inhalts der alten Verträge der Vorfahren waren. Der Statthalter cAbdel cAziz ibn Musa schloss mit der Bürgermeister der Stadt Tadmir ein Abkommen, in dem es heißt:

"Es steht keinem zu, ihm [dem Bürgermeister] oder einem der Christen den Besitz zu enteignen, ihnen zu töten, ihre Kinder  oder ihre Frauen zu schmähen, sie zum Konvertieren zu zwingen, ihre Kirchen zu verbrennen". (ahl al-Dhimmah fi al-mudschtamac al-Islami, Hassan Ali)

 

Wie die vier ersten Kalifen übernahmen auch später die Umayyaden die byzantinischen und sassanidischen Verwaltungsstrukturen und Besteuerungssysteme für Grund und Boden, wobei auch die griechische und persische Verwaltungssprache beibehielten und die bisherigen tätigen Nichtmuslime auf ihren Positionen belassen wurden. Während dies bei den muslimischen Wissenschaftlern einen Vorteil für die Einheimischen und eine positive Charaktereigenschaft für den Islam darstellt, meint Kallfelz dagegen, dass die Muslime durch das Belassen der einheimischen Beamten in der Verwaltung die unterworfene Bevölkerung zu kontrollieren vermögen. Das war aber kein Ziel der Umayyaden, denn sie hatten auch Kontakt mit den nicht in der Verwaltung  tätigen Dhimmis: Mucawiya stellte z. B. einen Christ als Pflegevater für seinen Sohn Yazid an. Dieser beauftragte dann einen Priester mit der Ausbildung seines Sohnes Khalid. Der bekannte christliche Dichter al-Akhtal besuchte häufig den Kalif cAbdelmalik in seinem Hof, wobei er ein goldenes Kreuz an der Brust trug. Auch

"der heilige Johannes Damaszenus [gest. um 750] hatte eine Zeit lang am Hof des muslimischen Herrschers von Damaskus als hoher Beamten gedient, ehe er sich in ein Kloster zurückzog."

 

Ab der Zeit von cAbdelmalik begannen die nichtmuslimischen Beamten in der Verwaltung, ihren Einfluss allmählich zu verlieren, nachdem er 699 die fremden Verwaltungssprachen durch das Arabische zu ersetzen befahl. Das war aber eine Maßnahme, die von heute auf morgen nicht in Gang gesetzt werden konnte. Aufgrund von zwei Problemen konnte der Kalif seine Anordnung auf die Dauer nicht halten; nämlich: Aufgrund des Mangels an erforderlichen verwaltungsbezogenen Erkenntnissen bei den Muslimen und aufgrund der Verfügung der Nichtmuslime über die Fähigkeit zur Übersetzung des Persischen und des Griechischen ins Arabische.

"So behielt der melkitische Christ ibn al-Mansur, der Vater des Johannes von Damaskus, auch unter cAbdelmalik seine einflussreiche Stellung als Leiter der obersten Steuerbehörde."

 

Aus der Perspektive der kultischen Ausübung der Dhimmis berichten die arabischen Quellen von vielen Beispielen der Freiheit und der Gerechtigkeit, aber kaum von den Einschränkungen und Diskriminierungen, die die orientalistischen Werke insbesondere bei Behandlung des Kalifats von cAbdelmalik und cUmar ibn cAbdel cAziz hervorheben. Solche Einschränkungen kann man in der Tat im Allgemeinen nicht skeptisch beurteilen. Denn zur Zeit der Ummayaden berief sich der Kalif in den rechtlichen Fragen auf die Religionsgelehrten, die in einigen ihrer rechtlichen Selbstbemühungen von geschichtlichen Ereignissen beeinflusst waren und dadurch zu fragwürdigen Entscheidungen kamen. Dies war m. E. nicht der Fall zur Zeit der vier ersten Kalifen, weil sie nicht nur Machthaber waren, sondern auch Religionsgelehrte, die den Umgang des Propheten selbst mit den Nichtmuslimen persönlich erlebt hatten und wurden selbst später für die Gelehrten in dieser Frage zu einer unentbehrlichen Rechtsquelle.

Die Ausübung der Religion scheint nach Kallfelz kaum nennenswert eingeschränkt worden zu sein. Doch mit zunehmender Konsolidierung der umayyadischen Herrschaft und mit einem wachsenden religiösen Selbstbewusstsein der Muslime in den eroberten Ländern kam es häufig zum Eingreifen seitens der Kalifen in die inneren Angelegenheiten der verschiedenen Religionsgemeinschaften, besonders im Falle der Streitigkeiten um die Besetzung von Patriarchen- und Bischofssitzen. Der Kalif Hišam (724-743) z. B. nannte Phethion (731-740) als nestorianischen Patriarchen, nachdem die Nestorianer sich nach dem Tode des Patriarchen Seliba-Zeka (714-728) auf keinen Nachfolger einigen konnten. Besondere Einschränkungen werden unter den Umayyaden den Melkiten eingeordnet, die in ihrem Glauben mit der byzantinischen Reichkirche übereinstimmten und deswegen von den muslimischen Machthabern der politischen Sympathien mit Byzanz verdächtigt wurden.

Was aber die Kultstätte der Nichtmuslimen anbelangt, übernahmen die Muslime einzelne Kirchen und Klöster, um sie in Moscheen umzuwandeln. In den späteren Jahrzehnten der umayyadischen Herrschaft beschlagnahmten die Kalifen christliche Gasthäuser, wenn sie ihnen zur Errichtung eigner Bauten nützlich erscheinen.

"Erst der Kalif al-Walid, Sohn Abd el- Maliks, der sechste Omaiyadische Kalif (706-715), trat mit den Christen in Verhandlungen ein, um zu erreichen, dass sie ihm gegen Entschädigung das ganze Gebäude überlassen sollten. Die Christen jedoch weigerten sich. […] Der Kalif selbst soll unter dem Jammer der Christen den ersten Hieb gegen den Altar der Kirche geführt haben. Er ließ nun aber, ohne die alten Umfassungsmauern völlig niederzureißen, eine herrliche Moschee an diesem Platz erbauen, die von arabischen Schriftstellern als Weltwunder gepriesen wird."

 

In diesem Zusammenhang treten aber in der arabischen und selten in  der orientalistischen Literatur viele Ereignisse von Freiheit und Toleranz mit den Dhimmis hervor, wovon einige im Folgenden aufgeführt werden:

Auf Befehl von Mucawiya wurde die größte Synagoge in der Stadt Al raha (Südost der heutigen Türkei, erobert 17 H./637) restauriert, nachdem ein Teil davon wegen eines Erdbebens vernichtet wurde. Obwohl die überwiegende Meinung in der islamischen Rechtswissenschaft besagt, dass der Bau nichtmuslimischer Kultstätte in den amsar verboten ist, wurde unter Maslama ibn Mukhlad, dem Statthalter in Ägypten (47-68 H./667-687), die erste Kirche in der Stadt al-Fustat errichtet. Obwohl auch die orientalistische Literatur von der Unterdrückung der Melkiten durch die Umayyaden berichtet, ließ cAbdel cAziz ibn Marawan, der Statthalter in Ägypten (gest.84 H./703), zwei seiner Diener melkitischen Glaubens eine Kirche, kanisat al-farrišin genannt, in der Stadt Helwan gründen. Zur Frage der Melkiten bleibt es auch erwähnenswert, dass der Patriarch Kosmas zum Kalifen Hišam und beklagte sich darüber, dass die Kopten einige melkitische Kirchen in Besitz genommen hatten. Der Kalif befahl daraufhin seinem Statthalter in Ägypten, die beschlagnahmten Kirchen wieder zu den Melkiten zurückzugeben. Es gab auch damals, wie die islamischen sowie die christlichen Forschungsarbeiten bestätigen, kaum Interesse daran, dass Nichtmuslime zum Islam übertreten. Während aber die Muslime dies auf das Festhalten an islamischen Prinzipien zurückführen, halten die Orientalisten das finanzielle Interesse des Staats für den wesentlichen Beweggrund dafür; und zwar, weil der Übertritt zum Islam zur Befreiung des Dhimmis von der Dschizya führt. Diese Vorstellung kann aber meiner Meinung nach damit zurückgewiesen werden, dass der übertretende Dhimmis von der Dschizya, aber nicht von der Kopfsteuer, befreit, weil er als Muslim auch zur Steuer, Zakah, verpflichtet, es sei denn, dass die Zakah von weniger Höhe als die Dschizya ist.

In der Tat konvertierten unter den Umayyaden nicht wenige Nichtmuslime, bewusst oder unbewusst, zum Islam, was auch mit den damit verbundenen Steuerausfällen zu gewissen finanziellen Problemen führte. Es kam auch damals zur schlechten wirtschaftlichen Situation bei den unteren Schichten der nichtmuslimischen Bauern in Ägypten, die mit dem Übertritt zum Islam von der Grundsteuer nicht entbunden werden durften. Darüber schreibt Kallfelz:

 

"Dies führt zu einer Abwanderung großer Teile der Bevölkerung in die Städte […] Reisen von einem Bezirk zum anderen wurden verboten; christliche Bauern wurden mit körperlichen Kennzeichen versehen. Es kam zu Kotrollen. Für Reisende wurden Pässe verbindlich."

 

Das gehört aber zu den wenigen Stellen, in denen sich Kallfelz auf keine Literatur berief.

Mit der Machtübernahme von cUmar ibn Abdel cAziz (717-720) begann wegen seines Bestrebens nach der Befolgung der in den Koran und der Sunna verankerten  Prinzipien eine neue Phase des Umgangs mit den Dhimmis. Die muslimischen Wissenschaftler stellen fest, dass unter ihm die Nichtmuslimen die genaue Gerechtigkeit und Gleichheit erlebten, wie unter cUmar ibn al-Khatab. Hingegen meint die orientalistische Literatur, dass die Rückbesinnung des Kalifen cUmar ibn Abdel cAziz auf die Grundlagen der islamischen Religions- und Gesellschaftsordnung mit einem schärferen Kurs gegenüber den Nichtmuslimen vorging. Nach Recherchen kann man keine dieser zwei Einstellungen widerrufen. Dabei ist zwischen zwei Aspekten zu unterscheiden, nämlich: dem gesellschaftlichen und dem kultischen Aspekt. Gesellschaftlich wurden von solchen Anordnungen und Vorschriften des Kalifen berichtet, wonach sich der Dhimmi in seiner Kleidung und seinem Aussehen vom Muslim unterscheiden sollte. Den Quellen nach wurde dem Dhimmis das Tragen der qab (langärmeliges Obergewand), des Turbans, des Tailasan (schalartiges Kleidungsstück für Kopf und Schulter) sowie der Seidenstoffe untersagt. Dem Dhimmis wurden dazu das Umbinden von zinnar (eine bestimmte Art von Gürteln) und das Tragen von kis (einfache Wollmäntel) vorgeschrieben.

Es scheint hier, dass zu dieser Zeit die vorher behandelten aš-Šuruh al-cumariyah (s. 3. Kap. Punkt 4) angewandt wurden. Das bedeutet, dass cUmar ibn cAbdel cAziz sich von den Traditionsgelehrten beraten ließ, die solche Bedingungen in ihren Werken auf den dritten Kalif cUmar ibn al-Khatab zurückführen. Man darf hier auch annehmen, dass diese Kleidungsvorschriften keine restriktive Diskriminierung bezweckten. Vielmehr bestand ihre Ziehsetzung darin, Unterscheidungs- und Erkennungsmerkmale für die Zugehörigkeit zur Gruppe der Muslime oder der Nichtmuslime zu bestimmen, was auch bei der Einnahme der verschiedenen Steuer ein Hilfsmittel darstellte.

Als klarer Beweis für sein Bestreben nach Anwendung der Grundlagen des islamischen Rechts schuf er die bei einigen seiner Vorgänger eingeführte Praxis ab, auch von den zum Islam Übergetretenen die Kopfsteuer  zu verlangen. Dies war auch ein Grund dafür, dass Umar ibn Abdel cAziz sein Statthalter in Khurasan al-Garrah ibn cAbdullÁh dessen Amtes enthob,

weil dieser auch die Dschizya von den unter Ungläubigen zum Islam Konvertiten nahm, und sagte ihnen:`` Ihr nehmet den Islam nur deswegen an, um davon [von der Dschizya-Verpflichtung] freizukommen. ´´ Da traten sie vom Islam zurück, hielten sich wieder am eigenen Glauben fest und bezahlten die Dschizya"

 

Was den religiösen Aspekt betrifft, wurde in einigen christlichen Quellen berichtet, dass der Kalif Umar ibn Abdel cAziz den Dhimmis den Neubau von Kirchen untersagte. Tritton verneint seinerseits diese Behauptung und stellt fest, dass

"Diese Aussage ist umstritten, denn sie nur von einem Historiker berichtet wurde, zumal die christlichen Quellen keine Andeutung darüber machen. Das erhebt den Beweis für die Nichtigkeit der Aussage"

 

Kallfelz bringt auch diesen Bericht zum Ausdruck und stützt sich dabei auf at-Tabari. Nach genaueren Untersuchungen hat sich etwas Problematisches aufgezeigt, und zwar: Das Werk von at-Tabari heißt in dem Literaturverzeichnis von Kallfelz Tarikh ar-rusul wa l-muluk  (Geschichte der Gottesgesandten und Könige, hrg. von M. J. de Goeje, Leiden 1879-1901). Das arabische Original lautet aber  Tarikh al-umam wa l-muluk  (Geschichte der Nationen und Könige), in dem es keinen Hinweis mehr auf das gibt, was Kallfelz über die Anordnung cUmars bezüglich des Neubaus von Kirchen erwähnt.

Zum Schluss kann man feststellen, dass es unter dem Kalifen cUmar ibn cAbdel cAziz kaum zu Diskriminierungen oder Unterdrückungen gegenüber der Dhimmis kam. Dass er aber auch die angeblichen aš-Šuruh al-cumariyah annahm bzw. anwandte, wird nicht ihm, sondern dem Gelehrten vorgeworfen, zumal auch zu dieser Zeit noch keine der richtigen Hadith-Sammlung herausgegeben wurde.

Ausgenommen von der unter einigen Statthaltern eingeführten Regelung, auch von den zum Islam Konvertiten die Dschizya abzuverlangen, kann man auch schließen, dass die umayyadischen Kalifen mit den Nichtmuslimen auf eine gute, zum großen Teil den vom Propheten Muhammad (s) und den Rechtgeleiteten Kalifen festgesetzten Grundlagen entsprechende Art und Weise umgingen.

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